Was ist der Leitzins?
Der Leitzins ist jener Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei einer Zentralbank leihen bzw. es dort parken. Der Leitzinssatz ist ein wichtiges geldpolitisches Mittel – er wird nach Ermessen der Zentralbank bestimmen und beeinflusst Wirtschaftslage, Inflation und Währungskurs. In der Eurozone ist die EZB für die Festlegung des Leitzinses verantwortlich.
Inhaltsverzeichnis
Funktionsweise |
Aktuelle Leitzinssätze |
Entwicklung seit 1999 |
Leitzins der EZB im Detail |
Entwicklung und Prognose |
Auswirkungen auf Konjunktur, Inflation & Kredite |
Fazit |
Häufige Fragen |
Leitzins – wie funktioniert das?
Zentralbanken – beispielsweise die Europäische Zentralbank (EZB) in der EU oder die Fed in den USA – legen den Leitzins eigenverantwortlich in den jeweiligen Gremien fest. Im Falle der EZB ist das der EZB-Rat. Mit der Höhe des Leitzinses verfolgen Zentralbanken festgelegte Ziele – etwa Investitionen für einen wirtschaftlichen Aufschwung oder die Garantie stabiler Preise. Die Zinsänderungen werden an vorher festgelegten Terminen öffentlich verkündet.
Regelmäßige Zinsanpassungen: Die aktuellen Leitzinsen werden bei den regelmäßig stattfindenden Sitzungen der Zentralbanken überprüft und angepasst. Seit 2008 wurden diese zur wirtschaftlichen Stabilität und Wahrung von Inflationszielen fast durchgehend gesenkt. In der Eurozone liegt der EZB Leitzins seit Jahren bei 0,00 Prozent.
Corona-Krise zeigte Wirkung: Unter bestimmten Umständen kann es zu Zinsänderungen außerhalb der regulären Termine kommen. 2021 war dies bislang noch nicht Fall. Zum Beginn der Corona-Krise im März 2020 kam es aber in den USA gleich zu zwei außerplanmäßigen Notfallsenkungen des Leitzinses durch die dortige Notenbank Federal Reserve (Fed). Extreme wirtschaftlichen Einbußen und eine instabile Konjunktur anzukurbeln.
Zinswende oder doch nicht: Mittlerweile hat sich die Lage auf den Märkten beruhigt. Bis Ende 2023 stellt die Fed zwei Leitzinsanhebungen in Aussicht und erwartet eine deutlich höhere Inflation. Die EZB hat bislang noch keinen konkreten Fahrplan in Sachen steigendem Leitzins verkündet und wartet die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone ab.
EZB, Fed und Co. – aktuelle Leitzinssätze wichtiger Währungsräume
EZB und Fed sind nur zwei Beispiele wichtiger Notenbanken. Die Leitzinsen der weltweit führenden Zentralbanken sind im vergangenen Jahrzehnt allesamt deutlich gesunken. Der Leitzins der EZB liegt – wie erwähnt – seit März 2016 bei 0,00 %. Damit notiert er historisch gesehen auf dem niedrigsten Niveau seit der Einführung des EURO im Jahr 1999.
Mit Ausnahme Chinas zeigen die aktuellen Leitzinssätze der Zentralbanken wichtiger Währungsräume ein gleiches Bild:
Zentralbank |
Leitzins im Juni 2021 |
Europäische Zentralbank (EZB) |
0,00 % |
Federal Reserve (Fed) |
0,00 bis 0,25 % |
Bank of England |
0,10 % |
Bank of Japan |
-0,10 % |
Schweizerische Nationalbank |
-0,75 % |
Chinesische Volksbanken |
3,85 % |
Entwicklung EZB Leitzinssatz seit 1999
Wie dramatisch der Verfall internationaler Leitzinsen im historischen Kontext ausfällt, zeigt ein Blick auf deren Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten.
seit 16. März 2016 |
0,00% |
09. Dezember 2015 |
0,05% |
10. September 2014 |
0,05% |
13. November 2013 |
0,25% |
11. Juli 2012 |
0,75% |
14. Dezember 2011 |
1% |
13. April 2011 |
1,25% |
13. Mai 2009 |
1% |
10. Dezember 2008 |
2,5% |
09. Juli 2008 |
4,25% |
13. Juni 2007 |
4% |
13. Dezember 2006 |
3,5% |
06. Dezember 2005 |
2,25% |
06. Juni 2003 |
2% |
06. Dezember 2002 |
2,75% |
09. November 2001 |
3,25% |
04. Februar 2000 |
3,25% |
01. Januar 1999 |
3,00% |
Quelle: EZB
Leitzins der EZB im Detail
Ist in den Medien vom EZB-Leitzins die Rede, wird in der Regel jener Zinssatz angesprochen, zu dem sich Geschäftsbanken Geld von der EZB leihen können. Im Fachjargon wird dieser Zinssatz Hauptrefinanzierungssatz genannt. Genau genommen muss in Sachen EZB-Leitzins aber zwischen drei verschiedenen Leitzinsen unterschieden werden – je nachdem, welches Ziel die Geschäftsbanken im Euroraum verfolgen:
Bezeichnung Leitzins |
Erklärung |
Aktueller Stand 2021 |
Einlagesatz oder Einlagenzins |
Zinssatz, zu dem Geschäftsbanken ihr Geld bei der EZB anlegen können. |
-0,50 % |
Hauptrefinanzierungszinssatz |
Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken von der EZB Geld leihen können. |
0,00 % |
Spitzenrefinanzierungszinssatz |
Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken kurzfristig Geld bei der EZB leihen können. |
0,25 % |
Hier wird rasch klar: Möchten sich Banken kurzfristig Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen, wird hierfür – trotz Null-Leitzins – eine geringe Gebühr fällig. Gilt es Kundengelder bei der EZB zu parken, fallen aktuell ebenfalls 0,50 Prozent Einlagezins an. Ein schlechtes Geschäft für Banken, das mittlerweile auch Auswirkungen auf viele Bankkunden hat.
Tipp: Bei den viel diskutierten Negativzinsen und dem EZB-Leitzins handelt sich um unterschiedliche Zinssätze. Negativzinsen beziehen sich auf den Einlagesatz, mit dem EZB-Leitzins ist üblicherweise der Hauptrefinanzierungssatz. Bei beiden handelt es sich aber um Leitzinsen.
EZB Leitzins – Entwicklung und Prognose
Rückgang seit Wirtschaftskrise 2008: Lange Zeit war der EZB-Leitzins international ein Garant für stabile Zinsentwicklungen. So schwankte er viele Jahre auf hohem Niveau zwischen zwei und fünf Prozent. Erst mit Beginn der weltweiten Finanzkrise 2008 ging es rapide bergab. 2009 senkte die EZB den Referenzzins erstmals auf ein %, anschließend ging es schrittweise bis 2016 auf das heutige Niveau Nullzinsniveau nach unten. Seitdem verharrt er unverändert bei 0,00 %.
Schwierige Prognose: Um die künftige Entwicklung des EZB Leitzins wird aktuell heftig debattiert. Prognosen sind dennoch spekulativ, denn die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank sind abhängig von politischen und wirtschaftlichen Ereignissen, die sich derzeit – auch mit einem Ende der Corona-Pandemie – nicht voraussehen lassen.
Schrittweiser Anstieg ab 2023? Unlängst wagte sich die US-Notenbank Fed mit möglichen Zinsanhebungen aus der Deckung. Allerdings werden alle internationalen Notenbanken und insbesondere die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik so lange eingreifen, bis im Zuge eines konjunkturellen Aufschwungs die Inflationsrate nachhaltig über zwei Prozent ansteigt. Vor 2023 ist aus heutiger Sicht in Europa eine moderate Leitzinsanhebung sehr unwahrscheinlich.
Tipp: Wenn Sie Änderungen des Leitzinses für Ihre Anlage- oder Kreditentscheidungen im Auge behalten wollen, sollten Sie die anstehenden Ratssitzungen der EZB aufmerksam verfolgen. Für 2021 sind noch folgende Termine anberaumt:
?? 22. Juli 2021
?? 09. September 2021
?? 28. Oktober 2021
?? 16. Dezember 2021
EZB Leitzins und seine Funktionen
Die strickte Währungspolitik der EZB wird von vielen Faktoren geleitet. Mit der Änderung des Leitzinses beeinflusst die Zentralbank die Geldmenge und die ökonomische Entwicklung im gesamten Währungsraum der EU. Unter anderem hat der Leitzinssatz erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte und allgemeine Wirtschaftslage, die Kapitalmarktzinsen sowie Preisgestaltung.
Privatkonsumenten bekommen die Folgen zu spüren, etwa wenn sie mehr oder weniger Kreditzinsen zahlen müssen, die Sparzinsen steigen oder fallen, oder Inflation, Marktpreise und Arbeitslosigkeit schwanken.
Auswirkung auf die Konjunktur
Forderst beeinflussen die Leitzinsen die wirtschaftliche Entwicklung. Bei niedrigen Zinsen können sich die Banken billiges Geld bei der EZB besorgen. Kredite werden allgemein günstiger und mehr Kapital für Investitionen genutzt werden.
Weiters werden Privat– oder Baukredite deutlich günstiger und Sparen lohnt sich immer weniger. Konsumenten geben ihr Geld lieber direkt aus als es am Sparkonto zu Minizinsen zu parken – oder Sie nehmen zusätzlich billige Kredite von der Bank auf. All dies kurbelt Wirtschaft an und lässt die Konjunktur florieren. Hohe Zinsen bewirken das Gegenteil und bremsen die Wirtschaftslage. Letztlich hat der EZB-Leitzins eine entscheidende psychologische Signalfunktion:
Auswirkung auf die Inflation
Der zweite große Einflussfaktor des Leitzinssatzes stellt die allgemeine Preisentwicklung – also die Inflation – dar. Bei niedrigen Zinsen leihen sich Banken mehr Geld von der EZB und bringen somit mehr Kapital in Umlauf. Die Folge: Das Geld verliert an Wert, die Preise klettern nach oben und die Inflation nimmt zu. Genau dies geschieht aktuell im Euroraum
Zu hohe Inflation kann aber gefährlich werden. Die Zentralbank muss dann entgegenwirken und die Zinsen anheben, um die Wirtschaft abzukühlen und das Preisniveau zu stabilisieren. Dies hat aber Auswirkungen auf Export, Währung und Wechselkurs: Bei niedrigen EZB-Zinsen wird der Euro für ausländische Anleger unattraktiver – und der Wert des Euro sinkt. Gleichzeitig werden Produkte aus der Eurozone günstiger und die Nachfrage steigt. Was die EZB derzeit mit Ihrer Zinspolitik anstrebt, ist eine moderate Inflationsrate um die zwei Prozent.
Bedeutung für Konsum- und Wohnkredite
Am deutlichsten spüren Konsumenten Leitzinsänderungen auf dem Zinsmarkt. Schließlich wird der Leitzinssatz früher oder später von den Geschäftsbanken auch an Verbraucher und Kunden weitergegeben. Was vor allem Sparkunden seit Jahren ärgert – der Zinsgroschen am Sparkonto ist in vielen Fällen kaum noch der Rede wert –, freut Kreditnehmer und Häuslebauer.
Ratenkredite und Autokredite zu Fix-Zinsen sind historisch günstig. Auch das Umschulden von Altkrediten lohnt mehr denn je. Zudem beeinflusst der niedrige Leitzins den EURIBOR, welcher wiederum bei variablen Zinsvereinbarungen oft als Referenzzinssatz dient. Wer aktuell einen Wohn- oder Baukredit mit variablen Zinssätzen abschließt, profitiert vom niedrigen Leitzinssatz enorm. Bei Negativzinsen können Immobilienkredite theoretisch sogar bis auf 0 % sinken.
Fazit zum Thema EZB Leitzins
Der Leitzins ist ein entscheidendes Steuerungsmittel für Zentralbanken. Er legt die Konditionen fest, zu denen Geschäftsbanken Geld bei der Zentralbank ausleihen und anlegen können. Für die EZB ist er weiters ein wichtiges Instrument, um für eine stabile Wirtschaftslage und gleichbleibende Preise im Euroraum zu sorgen.
In den vergangenen Jahren hat die Europäische Zentralbank dies reichlich genutzt: Seit der Finanzkrise 2008 wurde der europäische Leitzinssatz immer weiter abgesenkt. Seit März 2016 verharrt er sogar bei historischen 0,00 Prozent. Für alle, die Kredite brauchen oder in Immobilien investieren wollen, ist dies ein entscheidender Vorteil. Sparer hingegen müssen sich bis auf Weiteres mit Minizinsen zufriedengeben. Mehr noch: Aufgrund der anhaltenden Null-Zins-Politik der EZB drohen vielen Konsumenten in Österreich demnächst sogar Negativzinsen am Giro- oder Sparkonto. Geld bezahlen fürs Anlegen bei der Bank – eine hässliche Kehrseite des EZB-Leitzins!
Häufige Fragen
Warum hat die EZB den Leitzins auf 0 Prozent gesenkt?
In den letzten Jahren hat die EZB den Leitzins regelmäßig gesenkt. Das Ziel: Banken sollen verstärkt Kredite an Unternehmen und private Konsumenten vergeben, um die Konjunktur anzukurbeln. Im September 2014 senkte die Europäische Zentralbank den Leitzins für Einlagen der Banken sogar auf einen negativen Wert von -0,50 %.
Was passiert, wenn die EZB Leitzinsen erhöht?
Wenn die Europäische Zentralbank den Leitzins erhöht, wird Geld leihen teurer. Dadurch werden sich weniger Privatbanken Geld leihen und das Geld wird knapper, Kreditzinsen und Preise steigen. Wenn eine geringe Inflation gewünscht ist, dann erhöhen Zentralbanken den Leitzins, um zu verhindern, dass die Währung abgewertet wird.
Welche Gefahren drohen, wenn der Leitzins zu stark gesenkt wird?
Die Folgen der Leitzinssenkungen sind nachhaltig und für Konsumenten in Österreich spürbar. Banken richten sich in ihrer Zinspolitik nach dem Leitzins. Wird dieser gesenkt, kann sich die Wirtschaft günstiges Geld leihen, um Investitionen zu tätigen. Das wirkt sich positiv auf den Arbeitsmarkt aus. Magere Sparzinsen und höhere Preise (Inflation) sind die Kehrseite.
Welche negativen Folgen hat die aktuelle Niedrigzinspolitik für Konsumenten?
Weder Konten bei den Banken noch Geldanlagen wie Sparbücher, Tages- oder Festgelder werfen noch nennenswerte Zinsen ab. Spareinlagen drohen durch die kalte Progression sogar an Wert zu verlieren. Eine unmittelbare Folge der Niedrigzinspolitik ist daher, dass die private Altersvorsorge in Österreich immer schwieriger wird.
Wie lange wird die Niedrigzinspolitik noch andauern?
Der Leitzins im Euroraum liegt seit fünf Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Bis mindestens Ende März 2022 läuft das Notkaufprogramm PEPP der europäischen Notenbank für Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen mit einem Volumen von 1,85 Billionen Euro. Vor 2023 ist mit keiner Leitzinsanhebung der EZB zu rechnen.