Was ändert sich aktuell bei Baufinanzierungen in Österreich?
Österreichs Häuslebauer sind zunehmend verunsichert. Erstmals seit Jahren fallen vielerorts die Preise für Immobilien leicht, doch die Finanzierungskosten sind hoch. Bauzinsen steigen deutlich an und längst nicht jeder Finanzierungsinteressent erhält den angepriesenen „Bestzins“. Verhandeln mit der Bank kann helfen – wenn die persönlichen Voraussetzungen stimmen.
Baufinanzierung vergleichen |
Inhaltsverzeichnis
Günstige Zinsen nur für ideale Kunden |
Faktoren der Zinshöhe |
Lange Laufzeit, hoher Zinssatz |
Objektwert & Konditionen |
Fazit & Video |
Häufige Fragen |
Hintergrundwissen zum Thema Verhandlung mit der Bank
Aktuell verheißen viele Werbekampagnen von Baufinanzierern in Österreich die einmalige, günstige Chance:
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Blöd, wer da nicht schnell zugreift, denkt sich so mancher Kunde – denn die Botschaft ist klar: Warum eine teure Miete zahlen, wenn für das gleiche Geld schon mein Eigenheim finanzieren kann? Das irreführende dabei: Es gibt keinen Grund für Hektik in Sachen Baufinanzierungen, gerade diese eignen sich nicht für die Schnäppchenjagd. Die angepriesenen Billigkonditionen haben fast immer einen Haken. Und teurer als die monatliche Miete werden Finanzierung in aller Regel auch, denn die Schaufensterkonditionen der Banken und Baufinanzierer sind für Durchschnittskonsumenten kaum zu ergattern.
Baugeld – günstige Werbezinsen nur für den idealen Kunden
Genau das bestätigen auch viele unabhängige Dienstleister, die Zinskonditionen der Baufinanzierer tägliche vergleichen: Banken bewerben grundsätzlich nur die Konditionen für den idealen Kunden, also für Häuslebauer die nur maximal 60 Prozent des Kaufpreises finanzieren möchten – und können. Natürlich lassen sich solche Konditionen am Markt vergleichen. Wer aber mehr Geld braucht, oder sonst etwas an den beworbenen Kreditbedingungen verändern möchte, der zahlt höhere Zinsen. Die können gut und gerne doppelt so hoch sein – aus dem Eingangsbeispiel werden dann rasch 4,50 Prozent und mehr.
Höhe der Bauzinsen – viele Faktoren spielen eine Rolle
Für die Zinskonditionen beim Immobilienkauf oder dem Bau eines Hauses spielen andere Faktoren eine viel größere Rolle als die gestiegenen Leitzinsen der EZB. Banken und Immobilienfinanzierer bewerten vorders die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden. Dazu zählen etwa auch das Alter wegen der Gesamtlaufzeit der Finanzierung oder die Vermögenslage des Kreditnehmers, beispielsweise eine zusätzliche Altersvorsorge oder bereits abbezahlte Immobilien. Je nach Kunden können die Banken ihre Kalkulation und damit ihre Kreditkonditionen inklusive Effektivzins anpassen.
Bonität entscheidet: Für die Finanzierungskonditionen ist die Bonität mindestens so wichtig wie der Objektwert. Teure Wertgutachten lohnen sich meist nicht. Letzten Endes bewerten die Finanzierer das Risiko eines Zahlungsausfalls und gestalten dementsprechend die Auf- und Abschläge bei den Zinskonditionen. Wird die Zahlungsfähigkeit eines Kunden stärker strapaziert, steigt das Risiko für die Bank. Kurz gesagt: hohes Risiko, hoher Zins.
Bis zu 800 Faktoren bei der Kalkulation: Banken und Baufinanzierer berücksichtigen in ihrer Finanzkalkulation bis zu 800 Faktoren Das beginnt bereits mit der anteiligen Höhe der Finanzierungssumme, der sogenannten Beleihung. Wer statt der üblichen 50 oder 60 Prozent des Kaufpreises für die Immobilie gleich 90 oder sogar 100 Prozent finanzieren will oder muss, zahlt einen höheren Zins. Beispielsweise beträgt der Zinsaufschlag bei einer 90-Prozent-Finanzierung im Vergleich zu 50 Prozent bei einer Hypothek mit zehnjähriger Zinsbindung, einem Prozent Tilgung und einem Finanzierungsbetrag von 200.000 Euro im günstigsten Fall 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte. Allerdings berechnen Banken in der Praxis für das Risiko einer hohen Beleihung deutlich höheren Zinsaufschlag – falls sie hohe Beleihungsgrenzen akzeptieren. Einige Banken finanzieren per se nur bis maximal 80 Prozent des Kaufpreises. Aber auch 100-Prozent-Finanzierungen sind bei einigen Banken noch zu bekommen – wenn Ihre Bonität als Kreditnehmer gewährleistet ist.
Tipp: Baufinanzierungsexperten raten allen potenziellen Bauherren zu einer Finanzierung bis maximal 70 Prozent des Objektwertes. 20 bis 30 Prozent Eigenkapital sehen alle Banken gerne. Von einer Vollfinanzierung wird in der Regel abgeraten – weiters sollten Häuslebauer Rücklagen für Notarkosten, die Grundsteuer sowie die spätere Instandhaltung parat haben.
Baufinanzierung – je länger, desto höher der Zinssatz
Ein wesentlicher Faktor ist auch die Zinsbindungsfrist. Hier gilt nach wie vor: je länger Sie Ihren Zins festschreiben, umso höher fällt der Zinssatz aus. So müssen Hauskäufer damit rechnen, dass bei einer Zinsbindung von zehn Jahren der Effektivzins etwa 0,6 Prozentpunkte höher liegt als bei fünf Jahren. Für 15 Jahre Laufzeit kommen nochmals 0,3 Prozentpunkte obendrauf – unabhängig vom Objektwert und Darlehenshöhe. Beispielsweise beträgt aktuell der durchschnittliche Zinssatz bei fünfjähriger Festschreibung effektiv 2,35 Prozent. Für eine zehnjährige Zinsbindung werden bereits 2,90 Prozent fällig, eine auf 15 Jahre festgeschriebene Finanzierung kosten durchschnittlich 3,34 Prozent effektiv.
Günstigen Zins längerfristig sichern: Trotz deutlicher Zinsanstiege im Jahr 2022 raten Experten den meisten Hauskäufern noch immer zu möglichst langen Laufzeiten. Denn historisch betrachtet sind Bauzinsen noch immer günstig. Wer also ruhig schlafen möchte, sollte versuchen, einen Kredit mit 15 oder 20 Jahren Zinsbindung zu ergattern. Die sind aktuell nur wenige Zehntelprozent Prozent teurer als die klassische 10-Jahres-Finanzierung. Allerdings bieten nicht alle Banken in Österreich eine 20-jährige Zinsbindung an.
Sportlich finanzieren und sparen: Immobilienkäufern mit Rücklagen und guter Bonität können ihre Kreditkosten dennoch optimieren und einiges an Geld sparen. Kurzlaufende Kreditzinsen über fünf Jahre liegen im Vergleich zu den Baukrediten mit 15 Jahren Zinsbindung rund ein Prozent niedriger. Selbst wenn der Zins in fünf Jahren fast zwei Prozent höher liegt, hätten Sie als Hauskäufer noch günstiger finanziert als der Bauherr mit 15 Jahren Festschreibung – gleiche Ratenhöhe vorausgesetzt. Allerdings ist das nur etwas für Häuslebauer mit starken Nerven, die den Markt ständig beobachten wollen – und eine Wette auf künftig moderat steigende Bauzinsen.
Tipp: Die Zins- und Tilgungsrate steigt bei einer Laufzeiterhöhung von fünf auf zehn Jahre um etwa 17 Prozent, bei einer Erhöhung von zehn auf 15 Jahre nochmals um rund sieben Prozent.
Hauskauf – hohe Objektwerte sind für Banken attraktiv
Auch das mag für viele Kreditinteressenten komisch: Ein hoher Objektwert ist für Banken und Kreditvermittler durchaus attraktiv, weil mit ihm auch die Zinseinnahmen steigen. In der Praxis bedeutet das: Je mehr Kredit die Bank vergibt – unter Berücksichtigung von Bonität und den anderen wichtigen Faktoren –, umso besser fallen die Konditionen aus. Unter dem Strich bieten viele Banken in Österreich die besten Konditionen aber immer nur für eine bestimmte Kombination aus Darlehenshöhe, Finanzierungs- oder Eigenkapitalanteil und Zinsbindungsfrist an. Teilweise bieten die Finanziere sogar Sonderkontingente, etwa für den Kauf eines selbstgenutzten Einfamilienhauses mit einer Finanzierungssumme über 500.000 Euro an. Allerdings gilt auch hier: Angebote möglichst unabhängig überprüfen lassen.
Bessere Bauzinsen sichern – genau vergleichen und mit der Bank verhandeln
Was viele Eigenheim-Finanzierer nicht wissen: Banken und Baufinanzierer haben Spielräume – und das nicht nur bei Zins und Zinsbindung. Zusatzoptionen wie Sondertilgung oder eine Änderung der Tilgungsrate während der Zinsbindung bezahlten Häuslebauer früher mit einem Zinsaufschlag, weil den Finanzierern so potenziell Zinseinnahmen verloren gehen. Bei den meisten Banken ist aber inzwischen eine Sondertilgung in Höhe von fünf Prozent der Kreditsumme jährlich kostenfrei inkludiert. Möchten Sie diese Sondertilgungsgrenze von fünf Prozent weiter nach oben schrauben, erhöht sich in der Regel Ihr Kreditzins um 0,01 bis 0,02 Prozentpunkte pro ein Prozent Sondertilgung. Auch die kostenfreie Tilgungssatzänderung ist bei den meisten Anbietern ein- bis zweimal während der Zinsbindung möglich.
Unser Rat für Häuslebauer und Käufer von Wohneigentum: Ruhe bewahren und alle Konditionen der Anbieter gründlich hinterfragen und vergleichen. Denn übertriebene Eile ist vor allem bei einer Baufinanzierung über Jahrzehnte fehl am Platz. Die Zinsen für Immobilienkredite haben sich im Jahr 2022 zwar deutlich erhöht – im Schnitt zwischen 2,0 und 2,5 Prozent. Dennoch bleiben sie im historischen Vergleich weiter niedrig. Mit einem gezielten Online-Vergleich können Immobilienkäufer mit ausreichender Bonität am Markt weiterhin gute Schnäppchen erzielen – ohne versteckte Haken.
Fazit Verhandlung mit der Bank
Die eigenen Wände zu finanzieren, das ist in Österreich schwieriger geworden – keine Frage. Die Zinsen galoppieren seit den EZB-Entscheidungen 2022 förmlich davon. Da hilft die ein oder andere Preissenkung bei Kaufimmobilien meist wenig. Zumal die extreme Inflation die Baukosten noch für einige Zeit hochhalten wird und zumindest für 2023 weitere Zinssteigerungen bei der Immobilienfinanzierung fast schon ausgemacht sind.
Dennoch: Gut zu verhandeln, kann sich für Hauskäufer in jedem Fall auszahlen. Die Banken haben, durchaus Verhandlungsspielräume bei Zins, Tilgungsrate und Sondertilgung. Das gilt vor allem für viele Sparkassen und Volksbanken. Lediglich die sehr knapp kalkulierenden Finanzierer, die in Online-Zinsvergleichen ganz oben stehen, haben in aller Regel kaum noch Spielräume mehr nach unten – sie bieten aber ohnehin deutlich günstigere Konditionen als klassische Filialbanken.
Wichtig: Die eigene Bonität bei der Baufinanzierung muss stimmen. Das beginnt bei einer Eigenkapitalquote von mindesten 20 bis 30 Prozent – was die Beleihungsgrenze automatisch drückt. Weiters sind ausreichende, sichere Einkommen bei Banken gefragt. Idealerweise verfügen Finanzierungsinteressenten über zusätzliche Sicherheiten – beispielsweise durch Spar- oder Versicherungsrücklagen oder aber auch durch einen geeigneten zweiten Kreditnehmer bzw. Bürgen.
Video: Wie bekommt Ihr den Top-Zins bei der Bank? Zinsentwicklung 2022
Quelle: Jörg Somborn Baufinanzierungen / YouTube
FAQ Verhandlung mit der Bank
Wie hoch sind die Bauzinsen 2022?
Die aktuellen Bauzinsen für eine Standardfinanzierung liegen Ende November 2022 je nach Höhe des eingebrachten Eigenkapitals und der Vertragslaufzeit im Durchschnitt bei 3,5 bis 4,0 Prozent effektivem Jahreszins. Es gibt vereinzelte Angebote, die sich auch unter- bzw. oberhalb dieser Spanne bewegen.
Werden die Bauzinsen 2023 weiter steigen?
Die Zinsen für Baufinanzierungen sind im Verlauf des Jahres 2022 auch in Österreich sehr schnell gestiegen: Mit einem Plus von rund 2,5 bis 3,0 Prozentpunkten kosten Baudarlehen aktuell ungefähr mehr als viermal so viel als noch Ende 2021. Dem Kreditvermittler Interhyp zufolge, werden die Bauzinsen mit zehnjähriger Zinsbindung auch 2023 weiter steigen.
Wie finanziere ich ein Haus in Österreich?
Häuslebauer können ihre Baufinanzierung über eine Bank in Österreich abschießen. Weiters kann man die Immobilie durch ein Kreditinstitut aus Deutschland finanzieren lassen – hier empfehlen wir den Kontakt zu österreichischen Banken mit Niederlassung in Deutschland. Beide Wege sind gleichermaßen empfehlenswert.
Wie viel Haus kann ich mir in Österreich leisten?
Die goldene Regel für Hausinteressenten lautet: rund 20 Prozent der Objektkosten sollten mindestens durch Eigenmittel aufgebracht werden. Die restlichen Kosten können über eine der Banken oder Bausparkassen in Österreich und Förderstellen finanziert werden.
Wie bekomme ich einen guten Zinssatz?
- Erkunden Sie vorab Ihr Budget.
- Bringen Sie ausreichend Eigenkapital ein.
- Wählen Sie die passende Sollzinsbindung.
- Wählen Sie den richtigen anfänglichen Tilgungssatz.
- Achten Sie auf Sonderleistungen und Extras im Vertrag.
- Planen Sie mögliche Eigenleistung mit ein.
Kann man mit der Bank über Zinsen verhandeln?
Die kostenfreie Tilgungssatzänderung ist bei den meisten Anbietern ein- bis zweimal während der laufenden Zinsbindung möglich. Gut zu verhandeln, zahlt sich für Hauskäufer also aus. Die Banken haben Verhandlungsspielräume beim Zins. Das gilt vor allem für viele Sparkassen und Volksbanken in Österreich.